Hazel Eyes – Das Leben der Sarah Hennington

written an copyright by Nema Ravenhost


Sarah Hennington hat einen großen Traum: sie möchte Autorin eines Bestsellers werden. In ihrem Online-Tagebuch erzählt sie vom täglichen Wahnsinn in Ihrer vierköpfigen WG, dem chaotischen Studentenleben und dem steinigen Weg, den eigenen Zielen treu zu bleiben.




Um voran gegangene Folgen von Sarah Hennington nachzulesen, klicke bitte rechts auf "Ältere Folgen".

Samstag, 29. Oktober 2011

13. Folge - Der Brief

Es war ein wunderschöner Samstag morgen. Entgegen unserer Gewohnheiten hatte niemand aus unserer WG-Gemeinschaft die Nacht durchgefeiert. Ich genoss an unserem Küchentisch einen starken Kaffee, während eine warme Herbstsonne durch das Küchenfenster schien und die goldenen Strahlen auf die Zeitung vor mir niederlegte.
Eve, die bekanntermaßen zu den redefaulen am Morgen gehörte, saß mit Lockenwickler in den Haaren neben mir, ein riesiges rosa T-Shirt mit Mini Mouse als Schlafanzug. Eine Tasse Grüner Tee sollte ihre Lebensgeister wecken. Pierre toastete derweil einige Toasts und briet Spiegeleier.
Nur Mike war nicht da. Er hatte wieder, so vermutete ich, auswärts geschlafen. Zumindest war er am Tag vorher von Eve gesichtet worden, wie er die Blonde von der Tankstelle am umgarnen war. Und in seinem Bett lag niemand. Auch nicht er selbst, also ...
Doch das war mir herrlich egal. Ich genoss die Ruhe, die in diesem Augenblick in unserer WG herrschte. Es war richtig idyllisch und einer der seltenen Momente, in denen es mal nicht drunter und drüber ging. Ich fand, wir hatten uns das redlich verdient. Bei den Ereignissen die wir in den letzten Wochen über uns ergehen lassen mussten.
Ich durchstöberte die Zeitung nach Material, welches ich für meine Buchrecherchen oder Ideenfindungen verwenden konnte. Doch die Zeitung gab außer den Großaufmachungen bzgl. Den bevorstehenden Wahlen nicht viel anderes her als lächelnde Politiker die sabbernde Babys in den Armen von sich hielten.
Ich bemerkte über den Zeitungrand, dass Eve mich mit finsteren Blick ansah.
"Ja? Eve?"
Eve schnaufte lautstark "Sag mal, Hazel... musst du eigentlich die Zeitung immer so laut umblättern?"
Ich schmunzelte. Das war eines der Morgenrituale, wenn Eve langsam aufwachte. Sie begann über Nichtigkeiten zu meckern.
"Und überhaupt" murrte sie weiter "kann ich nicht verstehen, warum du noch diese Papierversion von Zeitung verwendest. Es gibt doch heutzutage Internet und Smartphones. Da kannst du dir die Zeitung kostenlos ansehen. Wozu der Scheiß?"
"Der Scheiß" beantwortete ich Eves Frage geduldig "flimmert mir erstens nicht so stark in den Augen. Durch meine tägliche Arbeit am PC ist das manchmal ganz angenehm mal keinen Bildschirm anzustarren. Und zweitens ist es ein ganz anders Lesegefühl. Im Internet ist alles nur auf irgendwelche Schlagzeilen begrenzt, alle anderen Infos erhälst du nur mit Querverweisen. Du musst elendig überall rumklicken und verlierst irgendwann die Lust, weil laufend irgendwelche Pop-up Fenster dir die Sicht blockieren."
Dramatisch blätterte ich die Seite meiner Zeitung um. Der Sportteil. "In einer Zeitung bekommst du alle notwendigen Infomationen ohne Querverweise. Sie präsentieren dir die Infos so wie sie sein müssen. Ohne großen Schnick schnack. Und solange es noch Papierzeitungen gibt, werde ich diese Form der Morgenlektüre bevorzugen."
Eve verdrehte die Augen. "Sowas von Oldschool."
Pierre schob seinen Stuhl an den Tisch und saß mir direkt gegenüber. "Ey Alta, die klaust mir die Sonne!" maulte ich in meinem besten Ghettoslang.
"Das tangiert mich nur peripher." antworte Pierre unbeeindruckt und nahm einen kräftigen Bissen von seinem Spiegeleitoast.
In diesem Moment hörten wir alle den Schlüssel im Haustürschloss. Perfekt gestylt wie immer betrat Mike die Wohnung. In seiner Hand hatte er ein Stapel Briefe.
"Morgen!" verkündete er gut gelaunt.
"Morgen Mike!" säuselten Pierre und ich im Chor.
"Hmm." grubbelte Eve.
Ich stand auf und schenkte in eine Tasse Kaffee ein. Mikes Lieblingstasse mit der Aufschrift "Godlike – god is like me!" Mike nahm die Tasse entgegen, nahm einen kräftigen Schluck und verteilte anschließend die Post.
"Für Pierre die neue Vouge... Eve ... nichts. Meinerselbst ... ach der Herr Meier vom Familiengericht. Mal schauen wen ich nun wieder geschwängert haben soll ... und ... Hazel. DAS ist für dich."
Er schob mir einen riesigen Stapel Briefe zu. Ich kannte diese Art von Stapel. Absagen. Zu Romanen, Wettbewerben und Stipendien.
Nun war Eve wach. "So Hazel, es ist wieder soweit. Ich öffne dann mal deine Briefe."
Jaja, sollte sie nur machen. Sie hatte vor einigen Jahren beim Pokerspielen das Recht erworben, mir als aller erstes mitteilen zu dürfen, wenn ich mal erfolgreich einen Roman an den Verleger oder bei einem Wettbewerb gewonnen hätte. Also durfte sie auch meine Post öffnen ... zumindest die, die nicht nach Rechnung und Familie aussahen.
"So erster Brief .... Absage." verkündete Eve. Ich wandte mich an Mike, sicher, dass in den nächsten zwanzig Briefen auch nichts anderes stehen würde.
"Und wie war deine letzte Nacht? Hast du gut geschlafen?"
"Sehr gut sogar." grinste Mike. "Ihr kennt doch die süße kleine Blonde von der Tankstelle,oder?"
"Brief Nr. 4 .. Absage." murmelte Eve.
Pierre biss gelangweilt in seinen Toast. "Du meinst die kleine Behinderte, die immer am schielen ist und man nie weiß, ob sie einen selbst oder wen anderes anspricht?"
"Ja genau die." bestätigte Mike. "Jedenfalls hat die eine kleine Schwester. Und die habe ich gestern kennen gelernt. Ganz anders als die Blonde."
"Absage Nr. Zehn."
" Ich sag dazu jedenfalls nur soviel: das mit den PS und den Rothaarigen stimmt total."
Typisch Mike.
"Hazel..." murmelte Eve. Pierre überhörte sie. "Sag mal Liebchen, wann gehen wir eigentlich mal wieder shoppen? Mein Kleiderschrank ödet mich wieder so an."
"Wir waren doch erst letzte Woche wieder unterwegs!" erinnerte ich meine schwulen Freund. "Ich weiß nicht wie du das hinkriegst aber ich habe keine Kohle."
"Hazel ..."
"Ach es gibt doch Dispo. Wozu also genau auf das Geld schauen?" meinte Mike.
"Was man nicht hat, kann man auch nicht ausgeben." erwiderte ich. Nichts ging mir mehr zuwider als Schulden.
"Hazel ..."
"Oh man Eve was willst du denn von Sarah? Rück endlich damit raus!"
Alle drei starten wir Eve an, die einen Brief in der Hand hielt. Mit großen Lettern stand dort "Herzlichen Glückwunsch!"
"Hazel ... du hast es geschafft!" jubelte Eve. "Du hast es tatsächlich geschaft! Du fährst nach Berlin zur Siegerehrung!"


Keine Kommentare: