Hazel Eyes – Das Leben der Sarah Hennington

written an copyright by Nema Ravenhost


Sarah Hennington hat einen großen Traum: sie möchte Autorin eines Bestsellers werden. In ihrem Online-Tagebuch erzählt sie vom täglichen Wahnsinn in Ihrer vierköpfigen WG, dem chaotischen Studentenleben und dem steinigen Weg, den eigenen Zielen treu zu bleiben.




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Mittwoch, 7. September 2011

11. Folge - Das Leid eines Schriftstellers



Ich erinnerte mich wieder an das Versprechen, dass ich Peter gegeben hatte. Peter, als er neben mir am besagten Morgen im Bett lag und ich in ihm nichts weiter als einen riesigen dicken Kerl sah, mit dem ich wohl geschlafen hatte.
Er war schwul.
Ich hatte also nicht mit ihm geschlafen.
Ein Glück.
Aber er wollte, dass ich ihn mit Pierre zusammen bringe.
Das war ein Problem.
Nachdem ich wieder zurück in unserer WG war, war ich froh Pierre nicht über den Weg zu laufen. Ich zermarterte mir die ganze Zeit mein Gehirn darüber, ob ich tatsächlich in Pierres Schicksal eingreifen sollte oder nicht. Auf der einen Seite hatte ich mein Versprechen gegeben. Zwar im Suff, das konnte man bestimmt als "unzurechnungsfähig" anrechnen. Aber wenn es eines gibt was ich definitiv für unumstößlich halte dann ist es die Tatsache, dass man ein Versprechen halten soll welches man gegeben hat.
Ich hatte mit Peter noch einmal gesprochen und ihm klar gemacht, dass ich ein Treffen arrangieren würde. Ein einziges. Und entweder es würde dann funken, oder das Vorhaben war gescheitert. Denn Pierre war mein bester Freund. Mein Leidensgenosse in meinem Leben. Meine Stütze. Wir gingen durch dick und dünn. Das alles wollte ich nicht für einen nahezu fremden Menschen auf's Spiel setzen. Peter hatte daraufhin mich mit festen Augen angesehen und gesagt:
"Genau den Spruch hast du auch neulich Abends gebracht. Und ich hatte mich damit einverstanden erklärt. Du musst es nicht noch mal wiederholen. Aber ich brauche nur diese eine Chance!"
Dieser Blick ließ mich nicht mehr los. Auch als ich bei mir auf dem Bett lag und Löcher in die Luft starrte. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Pierre und Peter miteinander umgehen würden. Pierre war ein froher, lebenslustiger Mensch. Überhaupt nicht schüchtern. Freche Klappe. Genau das Gegenteil von Peter. Würde das Sprichwort "Gegensätze ziehen sich an?" Bestand haben? Oder muss es eher heißen "Gleich und gleich gesellt sich gern?"
Auch versuchte ich mich an die früheren Beziehungen von Pierre zu erinnern, aber rückblickend betrachtet war da nie jemand gewesen, mit dem Pierre eine "Beziehung" hatte, so wie Peter es sich vorstellte. Er war eher der Künstler, der Freigeist, der seine "Muße" irgendwo in sexuellen Kurzbeziehungen fand, oder beim Shopping. Zumindest glaubte ich das.
Mir wurde eines klar: ich kannte Pierre im Endeffekt doch nicht so gut, wie ich es von mir immer behauptet hatte.
Konnte ich dann überhaupt beurteilen, ob Peter der Richtige war?
Hatte ich überhaupt ein Anrecht darauf, mich einzumischen?
Irgendwie entwickelte sich mein Leben in eine komische Richtung. Alle kamen mit ihren Liebesproblemen zu mir. Vielleicht sollte ich bei der Bravo als Dr. Sommer arbeiten. Aber eigentlich wollte ich nur eines: meine Ruhe. Und warum bekam ich die nicht? Weil ich immer und überall meine Verprechen abgebe von denen ich mir selbst den Anspruch hoch halte, sie immer einzuhalten.
Warum kann ich kein Arschloch sein und einfach mal "Nein" sagen?
Ich atmete tief aus. Das viele Grübeln brachte mich überhaupt nicht weiter. Es hielt mich nur auf. Aus den Augenwinkel sah ich zu meinem Schreibtisch. Dort stand mein Laptop. Ich hatte seit Tagen nichts mehr geschrieben, jedenfalls nicht an meinem aktuellen Manuskript. Ständig war ich abgelenkt. Von der Arbeit, dem Studium und dann auch noch den ganzen Beziehungproblemen anderer. Ich muss definitiv irgendetwas ändern in naher Zukunft. Sonst habe ich jeden in meiner näheren Umgebung glücklich gemacht nur ich schau dumm aus der Wäsche. Ein Buch zu veröffentlichen bei einem großen Verlag kann von der Einsendung an bis zu drei Jahre dauern. Ich habe eigentlich keine Lust, die Jahre des Schreibens unnötig in die Länge zu ziehen und damit die Veröffentlichung noch weiter hinaus zu zögern.
Also schnell dieses Problem aus der Welt räumen.
Aber wie anstellen?
Peter musste eine Gelegenheit haben, bei der er mit Pierre alleine reden konnte. Aber es durfte auch nichts sein, wo Pierre sich dabei langweilte. Beide auf einer Party bekannt zu machen brachte überhaupt nichts. Dafür war Peter zu schüchtern. Und Pierre viel zu quirrelig. Der würde die ganze Zeit zu jeden einzelnen hin rennen und irgendwelche Storys zum Besten geben. Er würde wahrscheinlich noch nicht einmal mitkriegen, wenn Peter ihn anspräche.
Aber sie beide einfach in ein Café setzen wäre genauso aussichtslos.
Ich schlenderte in die Küche und öffnete, wieder einmal, den Kühlschrank und betrachtete unseren alkoholischen Vorrat. Und – oh Wunder! - da war noch ein wenig Sekt übrig. Als ich mir den Sekt allerdings in ein Glas kippte merkte ich schon, dass die Kohlensäure fast vollständig entschwunden war.
Hauptsache der Alkoholpegel stimmte.
Es gibt das Gerücht, dass Schriftsteller sich oft für die Ideenfindung am Alkohol orientieren würden. Nun das stimmt nur zum Teil. Jeder Schriftsteller benötigt eine gewisse Routine, ein Ritual an dem er sich festhält und das dem Gehirn anzeigt "Achtung! Wir fangen jetzt an!" und die ensprechenden Denkanstöße aktiviert. Alkohol in geringen Maßen entspannt nunmal und einige bekannte Schriftsteller haben bestimmt in ihrem Ritual Abends ein Gläschen Wein integriert. Das ist aber das selbe, als wenn ein Arbeiter Abends nach Hause kommt und sein Feierabendbierchen zischt. Und von dem wird ja auch nicht behauptet, er würde zu tief ins Glas schauen. Kein Schriftsteller der es jedoch ernst mit dem Schreiben meint würde sich vor dem Schreiben excessiv zusaufen, dafür zerstört Alkohol zu viele Synapsen im Hirn und die gequirrlte Scheiße die man im Suff schreibt entspricht oft genau dem Wortbild, dem man ach sprachlich zum Ausdruck bringt. Es ist einfach nur Müll, was dabei produziert wird. Unlesbar. Unverwendbar.
Und während ich mich in der Küche umsah und an meinem Glas nippte kam mir plötzlich eine obskure Idee ...

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