Ich
erinnerte mich wieder an das Versprechen, dass ich Peter gegeben
hatte. Peter, als er neben mir am besagten Morgen im Bett lag und ich
in ihm nichts weiter als einen riesigen dicken Kerl sah, mit dem ich
wohl geschlafen hatte.
Er war
schwul.
Ich
hatte also nicht mit ihm geschlafen.
Ein Glück.
Aber er
wollte, dass ich ihn mit Pierre zusammen bringe.
Das war ein Problem.
Nachdem
ich wieder zurück in unserer WG war, war ich froh Pierre nicht über
den Weg zu laufen. Ich zermarterte mir die ganze Zeit mein Gehirn
darüber, ob ich tatsächlich in Pierres Schicksal eingreifen sollte
oder nicht. Auf der einen Seite hatte ich mein Versprechen gegeben.
Zwar im Suff, das konnte man bestimmt als "unzurechnungsfähig"
anrechnen. Aber wenn es eines gibt was ich definitiv für unumstößlich
halte dann ist es die Tatsache, dass man ein Versprechen halten soll
welches man gegeben hat.
Ich
hatte mit Peter noch einmal gesprochen und ihm klar gemacht, dass ich
ein Treffen arrangieren würde. Ein einziges. Und entweder es würde
dann funken, oder das Vorhaben war gescheitert. Denn Pierre war mein
bester Freund. Mein Leidensgenosse in meinem Leben. Meine Stütze. Wir gingen durch
dick und dünn. Das alles wollte ich nicht für einen nahezu fremden
Menschen auf's Spiel setzen. Peter hatte daraufhin mich mit festen
Augen angesehen und gesagt:
"Genau
den Spruch hast du auch neulich Abends gebracht. Und ich hatte mich
damit einverstanden erklärt. Du musst es nicht noch mal wiederholen.
Aber ich brauche nur diese eine Chance!"
Dieser
Blick ließ mich nicht mehr los. Auch als ich bei mir auf dem Bett
lag und Löcher in die Luft starrte. Ich versuchte mir vorzustellen,
wie Pierre und Peter miteinander umgehen würden. Pierre war ein
froher, lebenslustiger Mensch. Überhaupt nicht schüchtern. Freche
Klappe. Genau das Gegenteil von Peter. Würde das Sprichwort
"Gegensätze ziehen sich an?" Bestand haben? Oder muss es
eher heißen "Gleich und gleich gesellt sich gern?"
Auch
versuchte ich mich an die früheren Beziehungen von Pierre zu
erinnern, aber rückblickend betrachtet war da nie jemand gewesen,
mit dem Pierre eine "Beziehung" hatte, so wie Peter es sich
vorstellte. Er war eher der Künstler, der Freigeist, der seine
"Muße" irgendwo in sexuellen Kurzbeziehungen fand, oder beim Shopping. Zumindest glaubte ich das.
Mir
wurde eines klar: ich kannte Pierre im Endeffekt doch nicht so gut,
wie ich es von mir immer behauptet hatte.
Konnte
ich dann überhaupt beurteilen, ob Peter der Richtige war?
Hatte
ich überhaupt ein Anrecht darauf, mich einzumischen?
Irgendwie
entwickelte sich mein Leben in eine komische Richtung. Alle kamen mit
ihren Liebesproblemen zu mir. Vielleicht sollte ich bei der Bravo als
Dr. Sommer arbeiten. Aber eigentlich wollte ich nur eines: meine
Ruhe. Und warum bekam ich die nicht? Weil ich immer und überall
meine Verprechen abgebe von denen ich mir selbst den Anspruch hoch
halte, sie immer einzuhalten.
Warum
kann ich kein Arschloch sein und einfach mal "Nein"
sagen?
Ich
atmete tief aus. Das viele Grübeln brachte mich überhaupt nicht
weiter. Es hielt mich nur auf. Aus den Augenwinkel sah ich zu meinem
Schreibtisch. Dort stand mein Laptop. Ich hatte seit Tagen nichts
mehr geschrieben, jedenfalls nicht an meinem aktuellen Manuskript.
Ständig war ich abgelenkt. Von der Arbeit, dem Studium und dann auch
noch den ganzen Beziehungproblemen anderer. Ich muss definitiv
irgendetwas ändern in naher Zukunft. Sonst habe ich jeden in meiner
näheren Umgebung glücklich gemacht nur ich schau dumm aus der
Wäsche. Ein Buch zu veröffentlichen bei einem großen Verlag kann
von der Einsendung an bis zu drei Jahre dauern. Ich habe eigentlich
keine Lust, die Jahre des Schreibens unnötig in die Länge zu ziehen
und damit die Veröffentlichung noch weiter hinaus zu zögern.
Also
schnell dieses Problem aus der Welt räumen.
Aber wie
anstellen?
Peter
musste eine Gelegenheit haben, bei der er mit Pierre alleine reden
konnte. Aber es durfte auch nichts sein, wo Pierre sich dabei
langweilte. Beide auf einer Party bekannt zu machen brachte überhaupt
nichts. Dafür war Peter zu schüchtern. Und Pierre viel zu
quirrelig. Der würde die ganze Zeit zu jeden einzelnen hin rennen
und irgendwelche Storys zum Besten geben. Er würde wahrscheinlich
noch nicht einmal mitkriegen, wenn Peter ihn anspräche.
Aber sie
beide einfach in ein Café setzen wäre genauso aussichtslos.
Ich
schlenderte in die Küche und öffnete, wieder einmal, den
Kühlschrank und betrachtete unseren alkoholischen Vorrat. Und – oh
Wunder! - da war noch ein wenig Sekt übrig. Als ich mir den Sekt
allerdings in ein Glas kippte merkte ich schon, dass die Kohlensäure
fast vollständig entschwunden war.
Hauptsache
der Alkoholpegel stimmte.
Es gibt
das Gerücht, dass Schriftsteller sich oft für die Ideenfindung am
Alkohol orientieren würden. Nun das stimmt nur zum Teil. Jeder
Schriftsteller benötigt eine gewisse Routine, ein Ritual an dem er
sich festhält und das dem Gehirn anzeigt "Achtung! Wir fangen
jetzt an!" und die ensprechenden Denkanstöße aktiviert.
Alkohol in geringen Maßen entspannt nunmal und einige bekannte
Schriftsteller haben bestimmt in ihrem Ritual Abends ein Gläschen
Wein integriert. Das ist aber das selbe, als wenn ein Arbeiter Abends
nach Hause kommt und sein Feierabendbierchen zischt. Und von dem wird
ja auch nicht behauptet, er würde zu tief ins Glas schauen. Kein
Schriftsteller der es jedoch ernst mit dem Schreiben meint würde
sich vor dem Schreiben excessiv zusaufen, dafür zerstört Alkohol zu
viele Synapsen im Hirn und die gequirrlte Scheiße die man im Suff
schreibt entspricht oft genau dem Wortbild, dem man ach sprachlich
zum Ausdruck bringt. Es ist einfach nur Müll, was dabei produziert
wird. Unlesbar. Unverwendbar.
Und
während ich mich in der Küche umsah und an meinem Glas nippte kam
mir plötzlich eine obskure Idee ...
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