Unruhig sah ich auf die digitale Anzeige meines Handys. Obwohl ich gehofft hatte, dass dieser besagte Donnerstag nie kommen würde war er doch mit stetigen Schritten, langsam und zähkriechend auf mich zu gekommen. Heute war es soweit: ich traf mich mit Moby Dick. Weil Eve, die blöde Kuh, mich zu diesem Date verdonnert hatte. Da hatte sie einfach nach dem Besuch in der Disko drauf los geredet und diesem Peter einfach an meiner Stelle das OK für ein Treffen gegeben.
Ich erinnerte mich an das Gespräch zurück, nachdem ich mich in der Gosse übergeben hatte bei dem Gedanken, dass ich tatsächlich etwas mit diesem Mann getan hatte, wovon er so begeistert war, dass er es nochmal mit mir tun wollte. Es war ein nicht sehr konstruktives Gespräch, denn ich war mit einem Mal stocknüchtern gewesen und blaffte Eve an. Sie war dagegen besoffener denn je und kicherte nur den ganzen Abend und lallte so Lieder wie
"Hazel und die Schnecke, sitzen in der Ecke, knutschen wild herum und das Walross das bleibt dumm!"
Ob dieser Text einen tieferen Sinn hatte bezweifelte ich. Eve neigte im betrunkenen Zustand dazu sinnloses Zeug so labbern oder zu singen. Erinnern konnte sie sich später nie.
Nachdem ich Eve schließlich zu unserer WG zurück gebracht und sie ins Bett verfrachtet hatte ("Nein Mama, ich bin noch gar nicht müde.") und ich das Schnarchen aus ihrem Zimmer hörte lag ich noch endlose Stunden wach. Wieso geriet ich eigentlich immer in so komische Situationen? Manchmal kam es mir vor, als wenn sich irgendso ein Vollhonk mein Leben einfach ohne Sinn und Verstand aus den Fingern saugte und Ereignisse aneinander reihte, die absolut nicht zusammen passten. Da war zum einen das Missverständniss mit Mike. Zum anderen Eves übereifrige aber fruchtlose Sehnsucht nach der wahren Liebe und meine Begegnung mit dem Walross namens Peter. Den ganze Abend zermatterte ich mir das Hirn, was mich an dieser ganzen Geschichte am meisten störte. Mal ganz davon abgesehen, dass ich eigentlich überhaupt gar keine Lust hatte mich irgendwo mit einem Typen zu treffen in dessen Speckfalten ich bestimmt drei Mal rein passte. Nein, da war etwas anderes. Und als hätte ich es vor Wochen nicht bereits geahnt, kam mir beim Durchstöbern von Alteinträgen meines Blogs die Erleuchtung. Mike hatte gesagt, dass der Typ Tom hieß. Unterschrieben und vorgestellt hatte sich das Walross nun diesen Abend allerdings mit Peter! Was zum Teufel lief hier?
Ohne auch nur ansatzweise einer Lösung näher gekommen zu sein, war letzten Endes der besagte Donnerstag eingetroffen. Ich hatte zwar mehrere Fluchtszenarien durchgespielt, unter anderem der überraschende Tod eines unbekannten Verwandten und mein eigener plötzlicher Tod. Dennoch hatte ich mich letzten Endes doch dazu durchgerungen, mich ins Café zu setzen. Peter oder Tom oder Hanskuckuck oder wie der nun hieß, war mir erstens eine Erklärung zu seinem Namen schuldig und zweitens bin ich nicht der Typ, der Kerle einfach in einem Café sitzen lässt. Dazu bin ich dann doch von meiner Mutter zu gut erzogen worden. Leider.
Ein Pfiffikus wie ich nun mal einer bin, war ich etwa zwanzig Minuten früher da als verabredet. Ich wollte mir einen passenden Tisch suchen, von dem ich notfalls aufspringen und auf den kürzesten Weg aus dem Café heraus sprinten konnte. Ich wählte einen Platz in der Mitte des Cafés. Da ich das Café aufgrund meiner Kellnertätigkeiten wie meine Westentasche kannte blieben mir im Notfall zwei Fluchtwege:
- der direkte Aus- bzw. Eingang des Cafés
- die Küche in der es ein Hintertürchen gab.
Letztere Variante gefiel mir sogar am Besten, da ich hier zur Not unseren Koch von dem ich wusste dass der ein Auge auf mich geworfen hatte im vorbeirennen "Kill ihn!" zuschreien könnte und mir sicher wäre, dass das Walross ohne Messerstiche nicht an ihm vorbei kommen würde. Gut, soweit wollte ich es garantiert nicht kommen lassen. Aber es war beruhigend zu wissen, dass es diese Möglichkeit gab.
Auf die Minute genau trat schließlich Peter/Tom/Walross durch die Tür und erblickte mich sofort. Etwas erstaunt stellte ich fest, dass er sich fein heraus gemacht hatte. Mit schwarzem Hemd und schwarzer Hose verdeckte er sämtliche Tattoos so dass er richtig manierlich aussah. Hatte er abgenommen? Ich kam mir ein wenig schäbbig in meinem gelben Top und der Jeans vor.
"Hey Sarah. Schön dass du da bist." Ich bemerkte wie seine Wangen rot wurden. Er war furchtbar aufgeregt. Leichte Schweißperlen machten sich auf seiner Stirn breit. Aber es war keine lüsterne Aufregung die ihn umgab sondern was nervöses. Irgendwie kam er mir vor, als wäre er bei einem Vorstellungsgespräch und ich wäre die böse Personalsachbearbeiterin, die über sein berufliches Schicksal entscheidet. Ich bezweifelte immer mehr, dass er tatsächlich etwas von mir wollte.
"Hey... du ... da. Wie heißt du eigentlich?"
Die Frage verwirrte ihn. "Wie bitte?"
"Ich habe gefragt wie du heißt. Bevor ich das nicht weiß brauchen wir gar nicht weiter zu reden. Neulich, als du bei mir im Bett übernachtet hattest meinte Mike, dass dein Name Tom sei. Im Brief schriebst du aber, dass du Peter heißt. Was stimmt denn nun?"
Ein schüchternes Lächeln kam auf seine Lippen. "Tja weißt du ... meine Mutter hatte mir damals einen sehr blöden Namen gegeben." Er wurde rot. "Mein voller Name lautet Tom-Peter. Das klingt aber eher nach "Trompete", weshalb ich in meiner Kindheit viel gehänselt wurde."
Ich zog in Erwägung, dass die Hänseleien vielleicht auch vom Körperbau kamen. Oder der arme Junge hatte sich aus Frust alles in der Kindheit angefressen.
"Mir ist es lieber ich werde Peter genannt. Es kommt aber vor, dass ich, wenn ich besoffen bin und nicht mehr Herr meines Mundwerkes bin, mich selbst als Tom bezeichne. Dann steht das für "The Orgasm Man"."
Ich prustete meine Cola aus der Nase. Peter reichte mir ein Taschentuch. Er war nun eine rote Ampel. "Die Bedeutung von Tom sage ich natürlich niemanden. Außer dir."
Meine Nase brannte von den Cola-Blubberbläschen. Das die Leute mir immer soviel Vertrauen entgegen brachten war schmeichelhaft, wenn auch manchmal schmerzhaft. So wie in diesem Augenblick.
"Warum ich? Warum vertraust du mir diese ... äh ... pikante Sache an?"
"Weil wir über die gemeinsame Nacht reden müssen." Sein Blick wurde ernst.
Oh mein Gott. Wenn Peter nun eine Petra gewesen wäre hätte ich mir Sorgen gemacht um eine mögliche Vaterschaft. Ah ne. Ich bin ja selbst ne Frau. Aber so ernst klang dieser Satz aus Peters Mund, dass ich es einfach damit assoziieren musste. Oder war jemand gestorben? Vielleicht meine unbekannte Verwandte?
"Ähm ... was war denn mit dieser gemeinsamen Nacht?" Ich verfluchte meine fehlenden Erinnerungen. Was zum Geier war damals passiert?
Peter erzählte mir schließlich, dass wir uns beide an dem Abend total zugesoffen hattten und schließlich gemeinsam in mein Zimmer gingen. Dort hatten wir tiefe philosophische Gespräche geführt. Ich hatte ihm einen Auszug aus meinem aktuellen Manuscript gezeigt (Welcher Teufel hatte mich da geritten? Das war absolut VERBOTEN das nicht fertig gestellte Schriftstück zu lesen!) und er hatte sich letzlich ein Herz gepackt und mir eine wichtige Frage gestellt. Und ich hatte eingewilligt. Aber mein Versprechen hatte ich bis heute wohl nicht erfüllt weshalb er mir in der Disko den Zettel zugesteckt hatte.
Kein Wunder. Ich wusste ja immer noch nicht um was es überhaupt ging. Langsam ging mir diese uminöse "gemeinsame Nacht" tierisch auf den Keks.
"Hör mal Peter ich will ehrlich zu dir sein. Aber ich habe mir an diesem Abend das komplette Hirn weggeschossen. Ich kann mich an absolut NICHTS erinnern. Weder an unsere Gespräche, noch was ich getrunken hatte, noch wie wir miteinander geschlafen haben. Oder nicht geschlafen haben .."
"Ich soll bitte was?" Peter sah mich entsetzt an. "Ich würde niemals mit dir schlafen Sarah!"
Dieses Entsetzen in den Augen. Ich war nun total gekränkt. Soooo abstoßend konnte ich doch nun auch wieder nicht sein dass man so ein Ekelempfinden mir gegenüber äußert!
"Na hör mal!"
"Aber jetzt verstehe ich auch deine Reaktion! Du dachtest du ganze Zeit wir hätten miteinander geschlafen?"
"Nein, dass wusste ich ja eben nicht. Ich habe es .. na ja..."
"Befürchtet?"
"Weißt du "befürchtet" ist eigentlich nicht das Wort, was ich verwenden wollte ..." versuchte ich vorsichtig auszuweichen.
"Schon gut. Mir ist alles klar. Mit so einem fetten Klops würdest du dich nie im Bett wieder finden wollen. Kaum einer will das. Schon klar." Peter nahm einen kräftigen Schluck von seinem Kaffee. "Aber ich nehme es dir nicht übel. In Wahrheit ekel ich mich davor mit DIR zu schlafen insofern ist es nur fair, wenn du das Selbe von mir denkst."
Ich musste ihn total geschockt angesehen haben. Klar. Weil mir ging grad im Kopf rum, was an mir so abstoßend sein könnte. Jede Frau würde sich an dieser Stelle das selbe fragen! Wir sind schließlich alle eitel!
Peter lächelte plötzlich.
Peter lächelte plötzlich.
"Ach Sarah nimm es nicht so ernst. Du bist voll hübsch. Glaub mir. Jeder Mann schaut dir nach, wenn du nicht hinsiehst. Nur ... ich eben nicht."
"Das klang eben ganz anders!" motzte ich.
Peter sah mich an "Ich meine es ernst."
Ich sah im in die Augen. Ja er meinte es ernst.
Dann fiel der Groschen.
"Du bist schwul?!" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Peter lief direkt wieder rot an. Und nickte.
Und plötzlich konnte ich mich auch wieder an das Versprechen erinnern.
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