Flackerndes Licht.
Der Beat.
Vibrationen im Körper.
Gänsehaut.
Alles vergessen.
Trance.
Tanzen.
Einfach nur Tanzen.
Wenn ich in die Disko gehe, dann lasse ich mich fallen. Ich verschmelze mit den schwitzenden Menschen um mich herum zu einer Masse. Eine Einheit. Das Gestern ist dann Vergangenheit. Das Morgen noch nicht gekommen. Und das Hier und Jetzt unwichtig. Mein Körper liebt es, wenn die Musik durch jede Muskelfaser schwingt. Ich spüre jede einzelne Nuance des Stückes. Nehme sie in mir auf. Wie eine Durstleidende in der Wüste. Genieße jeden Augenblick. Ich bin ganz für mich alleine. Der DJ spielt nur für mich. Er weiß was ich will. Der perfekte Liebhaber. Der Kopf ist ausgeschaltet. Der Körper fremd.
Das ist der Augenblick, in dem ich absolute Freiheit empfinde. Ich sammel sie wie wertvolle Perlen. Und achte darauf, diese Momente auszukosten. Unsere Welt ist voll von Hektik und Ängsten. Grenzen sind immer und überall gesetzt. Es sind diese wertvollen Momente, die ich beim Schreiben und Tanzen empfinde die mich wissen lassen: Ich bin ICH. Und ich bin eins mit meiner Umwelt und Teil eines großen Ganzen. Ich bin glücklich.
Leider sind diese Momente immer von kurzer Dauer. Eve knufft mir irgendwann in die Seite und bedeutet mir mit einer Handbewegung zum Mund, dass sie was trinken möchte. Gemäß unserer Absprache lassen wir uns in der Disko nie alleine, wenn wir nur zu zweit unterwegs sind. Hinterher wird sonst noch einer von uns geklaut und landet mit K.O. Tropfen bei irgendeinem schmierigen Kerl in der Wohnung. Oder auf dem Müll mit offener Kehle, gespreizten Beinen und aufgerissener Muschi.
Ich hatte Eve in die Disko begleitet, nachdem wir unseren Vertrag gemeinsam unterschrieben hatten. Nun standen wir beide an der Theke und zum aller ersten Mal machte sich Eve keine Mühe, den Barkeeper anzuflirten. Im Allgemeinen hatte ich das Gefühl, dass Eve an diesem Abend extrem locker war. Irgendetwas hatte diese Aktion in ihr ausgelöst. Wahrscheinlich war es ihr Ehrgeiz Wetten zu gewinnen. Eve liebt Wetten und hasst es zu verlieren. Das wusste ich. Und den Preis den die verlorene Wette ausmachen würde wäre schon etwas schmerzhafter für Eve.
Während ich Eve anstarrte und so meinen Gedanken über ihre Spontanwandlung nachging schob mir der Barkeeper meinen Pina Colada zu. Als ich das Glas anhob bemerkte ich einen kleinen Zettel unter dem Glas. Fragend sah ich den Barkeeper an. Er zwinkerte mir zu und zeigte auf die andere Seite der Bar. Ich blickte hinüber und sah einen moppeligen jungen Mann. Mir kam er bekannt vor, ich wusste nur nicht woher. Er lächelte mir verlegen zu.
Und dann fiel es mir wieder ein. Die Nacht nach der Feier! Der Typ, den ich am nächsten Morgen in meinem Bett gefunden hatte. Ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg und drehte mich weg. Mir war es total unangenehm. Schließlich wusste ich immer noch nicht genau, was an diesem Abend genau passiert war. Ich lotste Eve schließlich wieder auf die Tanzfläche. Schließlich war ich hier um zu feiern, nicht um zu grübeln.
Die Nacht schritt schnell voran und ehe ich mich versah wurde die Disko geschlossen. Gut gelaunt, gut angetrunken und Arm in Arm verließen Eve und ich die Disko. Verabschiedeten uns beim Türsteher und gingen in die Nacht hinaus. Als wir um die Ecke bogen, um uns am Taxistand eine Fahrgelegenheit nach Hause zu besorgen, liefen wir in einen Mann hinein. Oder besser ich lief hinein, denn ich war diejenige, die durch die Wucht des Aufpralls nach hinten flog und mit dem Arsch auf dem kalten Asphalt landete.
"Ey was soll das! Pass doch auf!" maulte ich unfreundlich und blickte auf. Und erschrak. Vor mir stand wieder dieser Kerl. Das Walross mit dem Pinup-Girl-Tattoo.
"Tut mir echt leid." nuschelte er, aber sein Blick war seltsam zwischen meine Beine fixiert. Ich bemerkte, dass ich beim Sturz breitbeinig liegen geblieben war. Ich trug einen Rock. Und eine lila Unterhose mit den Worten "Kiss me". So schnell wie ich in meinem besoffenen Zustand konnte hiefte ich mich selbst wieder auf die Beine. Eve war keine Hilfe. Die hatte einen Lachflash und fand die ganze Situation urkomisch. Ich nicht.
Das Walross stand still vor mir und sah mich erwartungsvoll an.
"Hast du meine Nachricht bekommen?" fragte er schließlich. Zunächst wusste ich nicht was er meinte, dann erinnerte ich mich wieder an den Zettel. Ich hatte ihn nicht angeschaut sondern nur gedankenverloren in eine kleine Tasche an meinem Rock rein gestopft. Was auf diesem Zettel stand wusste ich also nicht. Aber wahrheitsgemäß erwiderte ich, dass ich den Zettel erhalten hätte.
"Und? Was denkst du dazu?"
Ich sah ihn schweigend an. Was sollte ich antworten?
Option 1.) Sorry ich habe mir deine Nachricht nicht angeschaut, war dafür schon zu besoffen.
Option 2.) Joah ... aber was ist deine Meinung dazu? (und damit indirekt die Wiederholung des Inhaltes erläutern lassen)
Option 3.) Ja ich bin ganz deiner Meinung.
Option 4.) Nein Mann! Ich bin hier um zu feiern und nicht um zu lesen!
Option Nummer zwei erschien mir an dieser Stelle am diplomatischsten. Das Walross druckste rum.
"Also ich würde mich da echt drüber freuen, wenn das mal funktionieren würde. Natürlich könnte ich das verstehen wenn du nicht willst."
Eve preschte für mich vor: "Ach was! Hazel ist da total cool. Die macht das mit dir! Haben wir schon drüber geredet. Überhaupt kein Problem! Es gibt nichts was sie nicht kann!"
"EVE!"
Das Walross begann zu lächeln. "Das wäre wunderbar. Ich freu mich schon! Dann bis Donnerstag!" und ehe ich irgendetwas dazu erwidern konnte war er verschwunden. Mit bösen Blicken strafte ich Eve. Sie bemerkte die Folter kein Stück.
"Eve in was hast du mich da wieder rein geritten! Du kannst doch nicht für mich irgendwelche Entscheidungen treffen. Noch dazu weß ich nicht mal WAS du entschieden hast."
Das besoffene Lachen wurde unterdrückt. "Hazel, ganz ruhig. Es wird schon nicht so schlimm sein. Ich mein du hattest doch schonmal deinen Spaß mit ihm gehabt."
"Das war kein Spaß. Das war dummes nebeneinander liegen. ... Hoffe ich zumindest."
Meine durchwühlte meine Erinnerungen. Aber egal wie sehr ich mich anstrengte es kam nichts dabei rum.
Ich erinnerte mich an den Zettel. Er würde bestimmt das Rätsel lösen. Ich zog den Zettel aus der Tasche. Natürlich fiel er erstmal auf den nassen Boden, es hatte wohl zwischendurch geregnet. Vorsichtig öffnete ich den angefeuchteten Zettel.
Hallo Hazel,
in Erinnerung an unsere gemeinsame Nacht würde ich mich freuen, wenn wir uns mal auf einen Kaffee treffen könnten. Was hälst du von nächsten Donnerstag?
Dein Peter
Dein Peter? Gemeinsame Nacht? War da doch mehr gelaufen als ich vermutete? Ich war wieder total nüchtern. Eve hatte mir über die Schulter geschaut. Lallend und mit voller Überzeugung sagte sie schließlich zu mir:
"Ups. Ich denke da habe ich dir wohl zum Sex am Donnerstag verholfen."
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